Überall ist von Engpässen die Rede, egal ob Straße oder Schiene. Eine neue App der DUSS soll nun für mehr Kapazität in und an den KV-Terminals sorgen. Und tatsächlich, Terminalbetreiber, Trucker und Spediteure profitieren gleichermaßen. Die Logistikkette funktioniert. Leider auch im negativen Sinne. Die Containerschiffe sind seit Monaten verspätet unterwegs. Deshalb stapeln sich in den Seehäfen die Boxen. Darunter leidet der Hafenhinterlandverkehr auf der Schiene. Die Folge: lange Wartezeiten für die Containertrucker an den Hinterland-Terminals.
Diese Verzögerungen sind kein neues Phänomen. Schon vor der Corona-Krise und dem Ukraine-Krieg mussten die Containertrucker an den Terminals für den Kombinierten Verkehr (KV) warten. Die sich zuspitzenden Störungen in den maritimen Ketten und im Bahnnetz haben die Lage nochmals verschärft.
Michael Kleen fährt leidenschaftlich gerne Lkw. Nahezu jeden Tag ist der Geschäftsführer der MT-Transport GmbH in Neu-Ulm am Terminal in Ulm. Das Unternehmen hat sich auf die Beförderung maritimer Boxen spezialisiert. 70 Lkw gehören zum Fuhrpark. Ja, die Wartezeiten an den Terminals stéren Kleen, allerdings: »Ärgerlicher sind die ,vergeblichen’ Fahrten zum Terminal’, sagt er. Also wenn die Trucker zum Terminal fahren, doch die Container nicht da sind, weil der Zug Verspätung hat. Oder es herrscht ein Annahmestopp im Terminal für Exportcontainer, diese Info aber nicht oder zu spät bei den Truckern ankommt. Diese Fahrten kosten Geld, vergeuden die wertvolle Ressource Fahrerzeit, strapazieren die Nerven aller Beteiligten und sorgen für Streit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer über die Kostenübernahme. Und im Terminal erschweren diese Staus die Abfertigung.
Dagegen muss man etwas tun. Das hat man auch bei der DUSS (Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene Strafe) so gesehen. Die DUSS betreibt die KV-Terminals der Deutschen Bahn {DB) in Deutschland. Wir treffen Andreas Schulz, Vorsitzender der Geschäftsführung der DUSS, im Terminal Ulm. Mit dabei: Giuseppa Santospagnolo, Leiterin Region Süd-Mitte bei der DUSS, Rene Schmohl, Terminalleiter in Ulm, Felix Paul Czerny und Markus Hartung, Gründer der IT-Firma Conroo, und Michael Kleen. Zur brenzligen Lage in den Terminals tragen auch die vielen Container bei, die nicht sofort abgeholt werden und die ohnehin die schon zu 85 Prozent ausgelasteten DUSS Anlagen verstopfen. ,Um handlungsfähig zu bleiben, bleibt uns gar nichts anderes brig, als immer wieder Stopps fir die Anlieferung von Containern auszusprechen, deren Weiterfahrt nicht gleich am Anlieferungstag erfolgt, sondern erst in zwei Tagen oder später“, sagt Santospagnolo, Doch davon erfahren die Containertrucker zu oft nichts. Hinzu kommt: Die Terminals haben keinerlei Informationen, wann welcher Fahrer welchen Container abholt oder bringt. ,,Das ist wie eine Black-Box’, erklärt Schulz, und erschwere die Planung der Containerlagerung innerhalb des Terminals. »Uns war klar: Wir müssen den Informationsfluss und damit die Prozesse dringend verbessern und reibungsloser gestalten’, sagt Schulz. Er hat sich daher mit der Digitalisierung der Anlieferung und Abholung der Container durch die Containertrucker den Part vorgenommen, auf den die DUSS den gréften Einfluss hat. Mit Conroo hat Schulz kein etabliertes IT- Unternehmen, sondern ein kleines Start-up damit beauftragt, die Abfertigung zu digitalisieren. ,Uns war wichtig, dass wir die Prozesse möglichst schnell digitalisieren. Da ist ein kleines Start-up schneller und flexibler“, begründet Schulz die Entscheidung.
CONROO geht Schritt für Schritt vor. Als Erstes hat das Unternehmen eine App für die Lkw-Fahrer konzipiert, die damit einen Container im Terminal buchen können zur Abholung oder Lieferung. Im Februar 2021 starteten Czerny und Hartung zusammen mit ihrem Team mit der Entwicklung. »Bereits im August hat der erste Fahrer in Ulm mit der App gebucht*, sagt Czerny. Die Fahrer müssen sich also nicht mehr am Schalter melden und dort Papiere vorlegen. ,,Mittlerweile ist die App an zehn DUSS-Standorten verfügbar. 15 Prozent der dortigen Trucker nutzen sie bereits, sagt Czerny. Wobei bestimmte Anwendungen wie Gefahrgut oder Verzollung noch nicht möglich sind und daher der prozentuale Anteil eigentlich noch höher ist.
Die DUSS versucht die App attraktiv zu machen. ,,Seit Juli zahlen wir für jede digitale Buchung zwei Euro zurück,“ sagt Schulz. Eine Buchung über die Agentur kostet vier bis fünf Euro. Diese Rückzahlung erhält der Operateur, da der Terminalbetreiber keine Kundenbeziehung zum Spediteur hat.
»Anders als im Seehafen üben wir keinen Zwang aus, sondern versuchen die Nutzer von dem System zu überzeugen`, sagt Schulz. Zu dem System gehört aber auch eine Slotbuchung mit dem bekannten Ampelsystem Grün, Gelb und Rot. Ein Verfahren, das in den Seehafen von den Truckern eher mit Skepsis gesehen wird. Auch Kleen ist kein ganz großer Freund davon. Denn: ,,Wir wollen fahren. Da ist eine rote Ampel immer stérend“, sagt er.
Aber er zeigt auch Verständnis. Und noch ist die Ampel ziemlich selten rot. ,Zudem haben wir einen Slot von zwei Stunden’, sagt der Terminalleiter Rene Schmohi. Dieser Slot sei sehr breit, sodass es in der Regel auch gelinge, die Trucker in diesem Slot abzufertigen.
Kleen ist Mann der ersten Stunde. ,,Ich bin fast immer schneller als die Kollegen, die die Abwicklung über den Schalter machen’, sagt der Unternehmer. “Und wenn ich Container abhole, melde ich mich nur noch über die App an.“ Er schildert ein Beispiel: Ihm sei es jungst gelungen, von 6:00 Uhr bis 9:30 Uhr sieben Container vom Terminal in das benachbarte Leercontainerdepot zu bringen ,,Sieben Container in 3,5 Stunden: Das ist unschlagbar und wäre ohne die App nicht möglich gewesen.”
Auch Czerny kann gute Zahlen aufweisen: Im letzten Jahr haben sie im August in Ulm verschiedene Daten erfasst, darunter die Dauer fiir eine Abfertigung: Statt 45 Minuten, die ein Fahrer im Durchschnitt durch die lange Warteschleife am Schalter benötigt, waren es bei der Buchung per App nur gut zwdélf Minuten und damit fast 33 Minuten weniger. Damit hat die DUSS weniger Aufwand am Schalter und die Speditionen sparen sich Zeit bei der knappen Ressource Lkw-Fahrer.
Trotz der Vorteile sieht Kleen noch Möglichkeiten zur Verbesserung. ,,Ich würde gerne die Info bekommen, ob der Container zur Abholung bereit steht“, sagt er. Den Anteil der Fahrten, bei denen der Lkw- Fahrer unverrichteter Dinge wieder das Terminal verlässt, beziffert er auf zehn Prozent. Denn die Operateure wurden nicht immer darüber informiert, dass Züge Verspätung haben. ,,Gerade jetzt, wo viele Züge wegen fehlender Trassen oder Lokführer ausfallen oder sich verspäten, sind wir besonders betroffen.“ Gleiches gelte für den Annahmestopp: Auch diese Info würde nicht immer aktualisiert.
Und einen weiteren Wunsch äußert er: Es sollte möglich sein, die Daten aus der App sowie die voraussichtlichen Ankunftszeiten der Züge in das Transportmanagement-System (TMS) der Spediteure einzubinden. Das gehört zu den nächsten Schritten von Conroo: die Entwicklung einer Termina!-Management-Web-App. Wir werden entsprechende Schnittstellen schaffen, mit denen dann eine Ubertragung der Daten möglich ist“, sagt Czerny. Die Web- App wie auch die Schnittstellen sollen in den kommenden Wochen zur Verfügung stehen.
Und wie sieht die Zukunft im KV-Terminal aus? Die Akteure sind sich einig: Da wird sich einiges ändern. Wir planen automatisierte Krane wie in den Seehafen. Der Kranführer sitzt dann nicht mehr oben auf dem Kran, sondern in der Leitstelle und bedient je nach Betriebslage ein oder zwei Krane’, sagt Santospangnolo. Bereits 2026 soll es in Ulm eine entsprechende Kranbahn geben. ,,Es wäre seltsam, hätten wir dann noch eine Zettelwirtschaft beim Annahmeschalter“, sagt Schulz.
Will heißen: Diese Schalter gehören dann der Vergangenheit an. Abgelöst durch Video-Gates, entsprechende Zufahrtskontrollsysteme (die es heute schon gibt, beispielsweise im DUSS-Terminal München) und entsprechende Buchungssysteme. Hartung geht davon aus, dass die derzeit noch bestehenden oder gerade entwickelten Systeme dann miteinander verbunden sind und alle Akteure wissen, wo sich ein Zug, Lkw oder Schiff mit welchen Einheiten gerade befindet und im Terminal ankommt.
Das ist Zukunftsmusik. Doch das Conroo System hat gezeigt: Es muss nicht immer die umfassende Lösung sein. Mit einfachen Mitteln lassen sich dringend benötigte, neue Kapazitäten schaffen. Angesichts des sich zuspitzenden Lkw-Fahrermangels und Engpässen in den Terminals bei Abstell- und Kran-Kapazitäten sind solche Lésungen unverzichtbar.
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